Philosophischer Friedhofsgartengarten mit den vier Teilgärten
Werden, Sein, Abschiednehmen und Paradies

Geplant, gestiftet und durchgeführt von Kanzemer Bürgerinnen und Bürgern, Organisation und Durchführungskonzept: Planungsbüro Vollmuth
Ziel: Entwicklung einer neuen gemeinsamen und bewussten Friedhofstradition, der Erinnerung und Besinnung auf das Leben

Der Friedhof ist ein wichtiger Treffpunkt der älteren Generationen geworden, hier nehmen viele Abschied von einem geliebten Menschen oder denken über das Leben nach. Es ist von je her ein ruhiger und besinnlicher Ort, der durch seine gepflegten Gräber und seine eindeutige Ordnung über das Chaos des täglichen Lebens – vor allem nach dem Verlust eines lieben Menschen hinweghelfen kann.

In Deutschland gibt es dazu eine eigene Friedhofsentwicklung, die Gräber sind oft streng geometrisch gegliedert und meist als Pflanzfläche mit Blumen gestaltet. Alles strahlt Sauberkeit und Ordnung aus, weil in diesem Moment alles aus der Ordnung geraten ist und es das Bedürfnis der Zurückgebliebenen ist, wieder zu einer neuen Ordnung zu finden.

Der Ort, an dem der geliebte Mensch liegt, soll eine freundliche Ausstrahlung durch Blumen und Grabgeschenke erhalten, die Blumen sind ein Zeichen der Liebe und des Wohlwollens für den Toten. In vielen Friedhöfen wird daher auch das Chaos, das Blätter von Bäumen auf den Blumenbeten bringen, das Wurzelwerk, das das Graben erschwert, nicht gerne gesehen. Die bauliche Anordnung und die Ausstattung eines Friedhofes ergibt sich somit aus praktischen und aus religiösen und psychologischen Bedürfnissen heraus.

In südlichen Ländern werden die Gräber mit wertvollen Natursteinplatten abgedeckt, da hier die Blumen schnell verdorren. Vielen Friedhöfen ist eine strenge Gestaltung mit Zypressen, Lebensbäumen, Buchsbaumhecken und anderen nicht laubabwerfenden Pflanzen gemeinsam.

Der Friedhof ist ein Kultort, kein natürlicher Ort der Menschen, auch Nichtgläubige, die nicht an ein Weiterleben glauben, empfinden hier eine Ergriffenheit vor dem Leben und vor seinem Ende. Atheisten, also Nichtgläubige, gehen meist nicht in eine Kirche, um sich zu besinnen. Ihr Anteil nimmt in der Bevölkerung stetig zu.

Aber diese Menschen haben auch besinnliche Gedanken, die sie vor allem in der Natur oder einem Garten freien Lauf lassen können. Ein Park oder eine schöne Landschaft ist ebenfalls eine Art geweihter Ort für viele Menschen.

Ein philosophischer Friedhofsgarten kann mit Form und Materialien symbolisch und in seiner Atmosphäre die unterschiedlichen Lebensphasen des Lebens ausdrücken und zum Nachdenken anregen. Wenn der Garten von den verschiedenen Bürgern zusammen ausgedacht und gebaut wird, dann entsteht ein Stück gemeinsame Heimat und Struktur wie in dem allwöchentlichen Gang zu einer Kirche, diesmal aber zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen. Alle bauen an einem gemeinsamen Kultort, der für alle offen ist und konfessionslos ist. Die Pflanzen und Materialien werden daher teils aus dem Ort selbst gestiftet und nicht allein von der Kommune vergeben, geplant und rein von auswärtigen Betrieben gebaut. Jeder Friedhofsgarten kann so etwas unverwechselbar Eigenes haben, das nur aus der Gemeinschaft, der in diesem Ort lebenden Menschen, genauso und vor allem auch spontan, entstehen konnte. Es ist ein liebevoller und wohlwollender Beitrag an Alle und vor allem in Erinnerung und Ehrung an die Toten.

Friedhöfe als wertvolle menschliche Kultorte

Auf Friedhöfen wurde die Liebe oft in besonders schönen Grabsteinen oder in aufwendigen Blumenbepflanzungen ausgedrückt. Wenn das Dorf früher etwas gemeinsam gebaut hatte, eine Kirche, ein Bürgerhaus, die Vereinsheime, dann haben sie für eine gemeinsame Zukunft etwas für alle Wertvolles errichtet. Dieses Symbol soll in dem Kanzemer Garten in verschiedenen Intensitäten und Möglichkeiten aufgegriffen werden. Es ist in der Mitte des Gartens ein wertvoller Stahl – Glaspavillon geplant, der in einem feinmaschigen Raster mit kleinen Glasbildern ausgestaltet wird. Die Bilder kosten einzeln ca. 150,00 bis 300,00 Euro und sollen von den Angehörigen der Toten gestiftet werden. Durch eine persönliche Besonderheit, die in diesem Bild dargestellt wird, soll an den Toten erinnert werden. Durch diese Bilder wird das Sonnenlicht fallen und die Trauernden werden an das Leben und seine Ereignisse erinnert werden. So kann durch Stiftung eines Elementes z. B. eines Glasmalereibildes im Pavillon, ein handwerklich wertvolles Haus des Dorfes, entstehen. Darüber hinaus zeigen die Glasbilder die verschiedenen Entwicklungen einer/eines Glasmaler(in) innerhalb der kommenden 20 Jahre, denn solange wird es dauern bis der Pavillon vollendet ist, und es zeigt damit ein Lebenswerk eines Künstlers und versinnbildlicht auch hier den Zeitablauf oder die sich ändernden Zeiten.

Dieser Garten liegt neben dem Friedhof und wird zum Ausdruck geben, dass das Sterben und Leben eng zusammengehört. Daher kann auch im Garten des Abschiednehmens im „Flussbett“ ein Urnengräberfeld als Erweiterung integriert werden. Das Feld wird von Natursteinpflaster eingerahmt in dem die Namen sowie Geburt und Sterbetag eingraviert werden kann.

Gartenkonzept

Der Garten des Werdens ist geprägt durch lange gewundene Wege, der Mensch hat noch unendlich viel Zeit und kein Ziel, die Pflanzen und Formen wirken leicht, bewegt und spielerisch. Dieser Garten soll durch Stiftungen einzelner Pflanzen zu einem besonderen Ereignis des Werdens entstehen. Z. B. kann man hier für ein Neugeborenes, eine große Liebe oder für ein eigenes Unternehmen oder anderes ein Pflanzenelement gestiftet und dauerhaft gepflegt werden ( z. B. eine Buchsbaumkugel oder 1 qm Pflanzfläche). Für die Stiftung wird ein Gartenbuch der Gemeinde erstellt, in dem sich die Bewohner mit Namen, Datum und Stiftungsgrund eintragen. So entsteht auch durch dieses Buch eine Zusammenschau der Gemeinde und ihrer Bewohner in den kommenden Jahren. Die Menschen, die an diesem Dorfprojekt teilnehmen, werden sich immer wieder am Friedhof begegnen, da sie eine kleine Patenschaft der Pflege übernommen haben. Es ist vor allem im ersten Gartenteil wichtig, die Pflege für dieses Stück Garten an die Kinder weiterzuvermitteln. Bau und Pflege eines philosophischen Friedhofsgartens über 4 bis 10 Jahre bildet neue Freundschaften und befriedigt das Bedürfnis der Dorfbewohner an einem besonderen Kult – Objekt selbst mitzuwirken.

Der Garten des Seins wird formal mit Hecke und Innenhof streng und überschaubar gestaltet, in seiner Mitte wird vom Dorf das Haus der Gemeinde, ein Pavillon aus Stahl und Glasmalerei wie oben beschrieben erbaut. Das Haus wird über Jahre durch alle hier Lebenden in ihrem Abschiednehmen vollendet und wird die Nachkommen erinnern und als Gesamtkunstwerk erfreuen. Dieser Garten soll durch die Vereine und Gruppen erstellt werden (12 Stück) auf die Kanzem sich gesellschaftlich gründet. Die Vereine können im mittleren Garten auch je einen Stiftungsspruch zum Garten in Glas schreiben lassen. Die einzelnen Glasbilder werden durch die betroffenen Bürger über die kommenden 20 Jahre gestiftet. Sie können als Grabsteinersatz auch das Urnengräberfeld ergänzen. Es folgt eine höhere Schwelle zum

Garten des Abschiednehmens, die den Überblick und die Erfahrungen der älteren Menschen verdeutlichen soll. Von hier aus sieht man über den kommenden Lebensabschnitt. Dieser Garten erscheint weit und ruhig. Hier kann man in Stille nachdenken und ausruhen und sich in die Umgebung versenken. Das Wasser/Kieselfläche in der Mitte ist ein breiter Fluss geworden, denn die Zeit verrinnt immer rascher und viele ältere Menschen empfinden sich nun wie ein Kiesel/ Mensch unter vielen Menschen. Der Einzelne verliert an Bedeutung und die Umwelt und der Sinn für das Wesentliche im Leben nimmt zu. Ältere Menschen werden nicht mehr so leicht überrascht (Symbol der einzelnen großen Steine im Strom), denn sie haben viel erlebt und gearbeitet, jetzt wollen sie sich nur noch auf das Wesentliche konzentrieren. Ein Garten der zu einem Innenhof wird, verdeutlicht den starken Wunsch nach Geborgenheit im Alter. Das Flussbett aus Kiesel kann langfristig zu einem Urnengräberfeld werden, das ist gleichzeitig ein Symbol dafür, dass beim Älterwerden der Tod immer häufiger im Umfeld durch das Sterben von Freunden und Nachbarn erlebt wird und zur immer näher werdenden Gewissheit für das eigene Ende wird. Die Wellen des Kieselbettes werden durch einen selbstgebauten Rechen geschaffen und sollen an die Saar und die Linien der Weinberge erinnern (vgl. Schaubild auf Seite 11), die unsere Kulturlandschaft bestimmen.

Dann tritt man durch ein Tor in das Paradies, das sich weitet, die Formen lösen sich und öffnen sich zur Naturlandschaft und zum Fluss als Symbol für die sich ständig wandelnden Formen, Energie und Kraft. Man geht am jetzigen Friedhof durch das Robinienwäldchen zum Flussufer hinunter und kann dabei vielleicht die Abendsonne durch das Blätterwerk und auf den Wellen der Saar glänzen sehen.

Durchführungskonzept

4 Jahre Hauptarbeiten und Vorbereitungen mit aktivem Team von ca. 9 Bürger und Bürgerinnen in einem monatlichen Arbeitstreffen.
In 2001 Planung der Gartenphilosophie und Herrichten des Grundstückes
In 2002 Entwurfsplanung, Durchführungskonzept und Bürgerbeteiligung
In 2002 Werkplanung des Gartens, Einbau einer Zisterne und Bau der Wegeführung Sowie Anlage der Gliederungselemente und Beginn des Gartens des Abschiednehmens
2003 Bau des mittleren Gartens mit dem Stahl – Glaspavillon sowie Gestaltung der Friedhofsmauer und des Eingangtores
2003 Bepflanzung des Gartens des Werdens
2004 Einweihungszeremonie zum Garten mit dem Stiftungsbuch über die Gartenphilosphie

Für die planerische Umsetzung des Bürgerprojektes sowie die Organisation der Durchführung (Durchführungs- und Stiftungskonzept, Bürgerbeteiligung, Förderanträge, Werkplanung und Statik) wurde beim Ministerium des Innern, Abteilung Dorferneuerung im April 2001 ein Förderantrag gestellt und im förderunschädlichen Vorhabensbeginn bewilligt. Zudem wird das Projekt mit Mitteln der Europäischen Union gefördert.

Der Gemeinderat Kanzem beschloss am 28.2.2002 einstimmig die Bürgeraktivitäten zu unterstützen und beauftragte das Planungsbüro Vollmuth, das Projekt im Rahmen der Dorferneuerung zum Förderantrag vorzubereiten sowie eine intensive weitere Bürgerbeteiligung durchzuführen. Derzeit werden die 12 Vereine in einzelnen Gesprächen und Vorträgen einbezogen sowie am 21.3. eine Bürgerversammlung durchgeführt. Die Gemeinde stellte die Gartenfläche für die weiteren notwendigen Arbeiten zur Verfügung und beauftragte vorab die Versorgung mit Strom und Wasser.

Resümee:
Die Gemeinde erstellt begleitend zum Projekt ein Stiftungsbuch zum Garten. Es soll ein Bürgerprojekt entstehen, das das Dorf als Gemeinschaft verbindet und über lange Jahre eine neue gemeinsame Tradition entwickelt, die über die Vereine, Parteien und Konfessionen hinausgeht, neue Kontakte durch gemeinsame Gartenarbeit herstellen soll und sich mit dem Sinn des Lebens befassen wird.